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Recap Seriencamp Special by Hester Ireland (K7 Media)

K7 war vom 3. bis 5. Juni auf der (größtenteils) sonnigen Seriencamp Conference vertreten.
Recap von Hester Ireland (K7 Media)

1. Co-Production, Innovation, and Resilience

Vor dem Hintergrund politischer Instabilität und aktueller Herausforderungen der TV-Branche rückte die Seriencamp Conference in diesem Jahr die Themen Koproduktion, Innovation und Resilienz in den Fokus.

Der mit Spannung erwartete Nostradamus Report 2025, präsentiert von Medienanalystin Johanna Koljonen und gemeinsam mit dem Göteborg Film Festival organisiert, stand unter dem Motto „Resilient Industry Change“. Der Bericht thematisierte die politischen Spannungen und wachsenden humanitären Krisen unserer Zeit. Eine zentrale Botschaft war die sogenannte „Reality Resistance“ der Branche – die zunehmend unhaltbare Tendenz, externe Bedrohungen wie geopolitische Unsicherheiten, wirtschaftliche Turbulenzen und die Klimakrise zu ignorieren, obwohl diese die Produktions- und Distributionsbedingungen massiv beeinflussen.

Koljonen betonte, dass die digitale Transformation längst keine Zukunftsfrage mehr sei – sie ist Gegenwart und erfordert ein grundlegendes Umdenken bei der Entwicklung und Verbreitung von Inhalten. Eine breitere und diversere Zielgruppe zu erreichen, sei nicht nur für die künstlerische Relevanz, sondern auch für wirtschaftliche Nachhaltigkeit entscheidend. Zudem warnte der Bericht vor wachsenden Risiken für die Meinungsfreiheit angesichts eines globalen Trends hin zu autoritären Systemen. Trotz allem sieht Koljonen die große Stärke der Branche weiterhin in ihrer Fähigkeit, fesselnde und hochwertige Geschichten zu erzählen – vorausgesetzt, sie agiert proaktiv und anpassungsfähig.

2. The future of European Co-Production

Mehr als ein Dutzend europäischer Sender – darunter ZDF, France Télévisions und NRK – stellten ihre internationalen Koproduktionsstrategien vor und betonten die Bedeutung strategischer Partnerschaften und effizienter Budgetnutzung, insbesondere angesichts des Übergangs zu einer Streaming-first-Beauftragungslogik.

In Belgien hat eine neue Abgabe auf Streaminganbieter Investitionen in lokale Produktionen angestoßen, auch wenn Netflix rechtlich dagegen vorgeht. Die sogenannte Lex Netflix in der Schweiz hat zu einem Anstieg von Koproduktionsvorschlägen geführt – bislang jedoch ohne einen spürbaren Anstieg an realisierten Projekten. France Télévisions verfolgt derweil eine selektive Strategie mit wenigen, aber wirkungsvollen internationalen Koproduktionen pro Jahr, die globale Strahlkraft besitzen sollen.

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Das New8-Kollektiv präsentierte einen Ausblick auf laufende Produktionen wie Other People’s Money, Stenbeck, Kabul, This is Not a Murder Mystery und den finnischen Erfolg Queen of F**ing Everything. Die Initiative – getragen u.a. von ZDF, NPO, VRT, SVT, DR, YLE, RÚV und NRK – entwickelt jährlich acht eigenständige Dramaserien und will damit ein alternatives Angebot schaffen, gerade in einer Zeit, in der große Plattformen ihr Europa-Engagement zurückfahren.

3. Broadcasters strive for YA content

Mutige, genreübergreifende Jugendserien sind in Europa weiterhin präsent. Ein Beispiel: Die exklusive Festivalpremiere von ZDFneo’s Club der Dinosaurier – eine 80s-inspirierte Comedy über zwei Schüler, die nach der Einnahme experimenteller Testosteronpräparate zu Reptilien mutieren.

Viel diskutiert wurde die Frage, wie öffentlich-rechtliche Sender die schwer erreichbare YA-Zielgruppe besser ansprechen können. Marianne Furevold-Boland (NRK) betonte die Relevanz alternativer Marketingstrategien und früher Zuschauerbeteiligung in der Stoffentwicklung – etwa durch Testscreenings. Daniel Lawrence Taylor, Schöpfer von BOARDERS, unterstrich in seiner Masterclass, wie wichtig es sei, junge Menschen direkt einzubeziehen – etwa über Feedbackrunden an Schulen – um authentische Inhalte zu schaffen.

Zu den prominent beworbenen Titeln gehörte WDRs Mozart/Mozart, eine Serie über Mozarts Schwester, die historische Stoffe für ein jüngeres Publikum neu interpretiert. RTL+ präsentierte zum Abschluss einen ersten Einblick in die deutsche Adaption der israelischen Erfolgsserie Euphoria, angepasst für junge deutsche Zuschauer:innen.

4. What networks want

In der Session „10 Good Strategies to Get a Greenlight“ wurde deutlich, wie sich der Markt in der Post-Peak-TV-Ära verändert hat: Risikofreude nimmt ab, Originalstoffe haben es schwer. Stattdessen setzen viele Sender verstärkt auf Stoffe mit bekannten IPs oder prominenten Namen.

Frank Tönsmann (WDR) brachte es auf den Punkt: „Distribution became part of the editorial process.“
Susanne Frank (ZDF) ergänzte, dass international erfolgreiche Serien vor allem universelle Geschichten erzählen – losgelöst von lokalen politischen Themen – und bekannte IPs oder Talente nutzen. Besonders gefragt seien derzeit Crime- und Comedyformate für den Tagesrand, während Dystopien, Sci-Fi und Horror weniger nachgefragt werden. Limited Series sind im Aufwind – ebenso wie langlebige Procedurals.

Auch diskutiert wurde die Rolle der Creator Economy: Wie verändert sich der Zugang zum Markt für neue Talente, die zwar keine klassische TV-Erfahrung mitbringen, aber eine treue Community über Social Media aufgebaut haben? Formate für Plattformen wie die ARD Mediathek könnten diesen Stimmen neue Möglichkeiten eröffnen.

5. Unlocking the power of games

Der weltweite Erfolg von Game-Adaptionen wie Arcane oder Fallout hat Games als wertvolle IP-Quelle neu etabliert. Seriencamp widmete dem Thema einen ganzen Tag: Games meets Drama Series.

Im Keynote-Vortrag stellte David Daubitz – Narrative Lead für Games, Serien und Real-Time Animation – die Möglichkeiten hybrider Erzählformate vor. Games bieten einzigartige emotionale Erzählarchitektur, die sich auf Serien übertragen lässt. Zentrale Frage: Adaptieren wir die Lore oder das Erlebte? – also die Victory Experience der Spieler:innen. Für Daubitz ist das Ziel kein Markt, sondern ein „creative playground“ – ein Raum für emotional getriebene, innovative Geschichten.

6. AI, put to work

Abseits theoretischer Debatten zeigte die Session „AI for Real“ konkrete Einsatzmöglichkeiten von KI in der Serienproduktion.

Unter wachsendem Produktionsdruck eröffnet KI neue Wege zur Effizienzsteigerung – von der Drehbuchentwicklung über Setdesign bis zur Postproduktion. Besonders spannend: Individuell trainierte, firmeneigene KI-Datenbanken, in denen etwa langjährige Serienformate gezielt nach Plotpunkten, Figuren oder Requisiten durchsucht werden können.

Das Ziel: Kreativen mehr Zeit für kreative Arbeit geben – und sie von repetitiven Aufgaben entlasten.

7. Coming Soon...

Zum Abschluss gewährte Seriencamp Einblicke in einige der spannendsten Neustarts des europäischen Dramaschaffens.

Besonders im Fokus: Hagen, die auf Wolfgang Hohlbeins Roman Hagen von Tronje basierende Fantasyserie. Produziert von Constantin Film, präsentiert sich das aufwendig inszenierte Period Drama als deutscher Beitrag zum internationalen Premium-Serienmarkt. Nach dem Kinofilm folgt die sechsteilige Serie War of the Kingdoms, vertrieben von Fremantle.

Ein weiteres Highlight: Naked, eine deutsche Miniserie über Co-Abhängigkeit und Sexsucht – schonungslos, intim, und diskutiert unter anderem in einem Panel mit Creatorin Silke Eggert. Premiere feiert die Serie beim Filmfest München, bevor sie im Herbst bei WDR ausgestrahlt wird.

Im Sci-Fi-Bereich wurde We Come in Peace vorgestellt – eine Koproduktion von TV4 und ZDF. Die schwedische Miniserie begleitet eine Zivilschutzbeamtin und einen Wissenschaftler beim Erstkontakt mit Außerirdischen – ambitioniert in Plot wie VFX, bei begrenztem Budget.